Zu Bergesriesen sprach das
Heer der Berge:
Wo gäb’ es Worte, euer Glück
zu loben?
Ihr seid die Mittler zwischen
Hier und Droben,
Wie von Gestade zu Gestad’ der
Ferge.
Die Riesen drauf: O töricht
eitle Zwerge!
Ihr sprächt wohl anders,
throntet selbst ihr oben!
Beklagen sollt ihr, die ein
Gott erhoben,
Da ihre Größe ihres Glückes
Scherge.
O schwerstes Los, du Nähe der
Gestirne!
Hier Donner, Blitz und Sturm,
dort unten Regen,
Hier wilder Mächte Kampf, bei
euch der Segen!
Im Dunkel ihr, im Lichtmeer
unsre Firne,
Und dennoch warm bei euch,
wenn unsre Stirne
Der Schnee bedeckt und eis’ge
Winde fegen.
So lang ein Großer weilt in
eurem Kreise,
Bleibt keine Art von Leiden
ihm erspart;
Er wandelt, mit Entbehrung
stets gepaart,
Und keine Seele horcht auf
seine Weise.
Doch, wenn vollendet er die
schwere Reise
Und, was er war, sich euch
geoffenbart,
Dann rühmen tausend Federn
seine Art
Und Monumente baut ihr ihm zum
Preise.
Ach, übel dankt ihr solchem
Göttersohne
Mit eurem ewig späten
Ruhmesglanz,
Der nichts ihm taugt und euch ist
nur zum Hohne.
Zum Teufel wünscht er euch mit
eurem Lohne,
Drückt ihr aufs Totenhaupt den
Lorbeerkranz
Und auf den Lockenkopf die
Dornenkrone!
Sechs Tage brauchte Gott, die
Welt zu schaffen!
Für kurze Dauer welche
Riesenplage!
Was Wunder, das er drum am
letzten Tage
An Schöpferkraft und Leistung
mußt’ erschlaffen!
Und als zuletzt er, nach dem
Frosch und Affen,
Den Menschen schaffen wollt’,
von höh’rem Schlage,
War er erschöpft und nicht
mehr in der Lage,
Zu halbweg bess’rer Tat sich
aufzuraffen.
So pfuscht er zu, wie
schlechte Maler pflegen,
Die sich gen Schluß zu keine
Müh’ mehr nehmen,
Weil ihnen bloß am Fertigsein
gelegen.
Und so ist dieser schnöde Balg
entstanden,
Der, viel zu schlecht, die
Tierwelt zu beschämen,
Nur noch die andre Schöpfung
macht zu schanden.
Dir, Unnahbarer, fleh’ ich
Stund’ für Stunde:
Erlöse mich von Geists und
Körpers Streit!
O reiß mir aus der Brust die
Sinnlichkeit,
Verschließ die klaffend ewig
off’ne Wunde!
Du weißt’s, wie oft vom
keuschen Dichtermunde
Gesang mir floß, der Reine nur
geweiht;
O laß mich schwelgen stets in
Geistigkeit,
Die doch mein wahres Wesen ist
im Grunde!
O steh mir bei, die wilde
Brunst zu stillen,
Du Allerbarmer, der du jeder
Fliege
Die Stärke gibst, ihr
Schicksal zu erfüllen!
Gib mir die Weihe, daß ich
nicht erliege!
Beschirme mich um meiner
Sendung willen,
Erhalte mich zu einem großen
Siege!
Wohin ich blicke, Nacht und
Kerkerwände,
Wohin ich fliehe, Fesseln,
Gitzter, Planken,
In mir Gestaltung heischende
Gedanken,
Doch um mich Hemmnis nur und
Widerstände.
Und nicht genug, daß Herz und
Haupt und Hände
des Alltags Ketten schneidend
mir umranken,
Auch meine Liebe schmälern
tausend Schranken,
Versehren gleich mich ihre
Flammenbrände.
Ich möchte nur für eine kurze
Stunde
Beherrschen vom Olymp dies
ganze Leben,
Kronion sein dem weiten
Erdenrunde:
Dann wollt’ ich’s ganz dem
Hades übergeben
Und, zwangsbefreit, in
liebesel’gem Bunde
Mit Ganymed auf goldnen Wolken
schweben.
Die Sinnlichkeit vergleich ich
einem Hunde,
Der nach mir schnappt, die
Zähne fletscht und bellt,
Solang, bis zuzuwerfen mir’s
gefällt
Ihm ein Stück Fleisch aus
eigner off’nen Wunde.
Dran kauend, schweigt er eine
kurze Stunde,
Dann atm’ ich auf und fühl’
mich wieder Held;
Doch fängt alsbald er neu an,
giergeschwellt,
Und fährt so fort und richt’
mich noch zugrunde.
Wie gern geböt’ ich, wann ihn
hungert: Nein!
Kein Bissen mehr! Doch bellt
er dann so gräßlich,
Daß klein der Sieg vor dieser
Höllenpein.
Drum schleudr’ ich lieber noch
ein Stück ihm zu,
Sag’ mir zur Täuschung, daß es
unerläßlich,
Und nütz’, dieweil er frißt,
die kurze Ruh’.
Zwei Feuer fühl’ an meinem
Sein ich zehren,
Zwei nie gelöschte, heiße
Flammenbrände;
Viel lieber wollt’ ich, daß
mein Leben schwände,
Als daß zeitlebens sie das
Herz mir sehren.
Das eine gilt der Lieb’, der
reinen, hehren,
Daß anbetend ich falte keusch
die Hände;
Das andre ruft ein blühend
Kind ohn’ Ende,
Mit ihm der Wollust
Taumelkelch zu leeren.
Bald greift mich die, bald die
der beiden Flammen,
Dann wähn’ ich stets, die
andre zu verwinden;
Oft lodern, schlagen, flammen
sie zusammen!
Dann bet’ ich: Gott, schaff
solch ein Dürsten wieder
In einer zweiten Brust, die
laß mich finden,
Sonst: glühe, brenne, senge,
schlag’ mich nieder!
Sie sind der Einz’ge hier von
meinen Kunden,
Der jemals Karten kauft von
dieser Sorte.
So sprach der Händler an des
Ladens Pforte,
Als Wagners Bild ich mir
herausgefunden.
Er ahnte nimmer, wie mich tief
verwunden,
Erbittern würden seine wahren
Worte!
Der Einz’ge, ach! im ganzen,
ganzen Orte,
Und doch Prometheus gleich
hier festgebunden!
Der Einz’ge, der zu werten
voll imstand’ ist
Das Ideal in ganzer Kraft und
Hehre,
Das Tausenden ringsher fast
unbekannt ist!
Dem Schiffer gleich, der im
austral’schen Meere
Bei Antipoden jahrelang
verbannt ist,
Empfand ich meines Hierseins
tiefste Leere.
Gemälde
von Franz Stuck
Berückend hingestreckt, halb
Weib, halb Katze,
Ruht sie, die Sphinx, auf
flachem Felsengrunde;
Ein junger Mann hängt wild im
Liebesbunde
Ihr an der Brust, nicht
achtend ihre Tatze.
Doch während, schwelgend so im
höchsten Schatze,
Er sich berauscht am Kuß von
ihrem Munde,
Schlägt seinem Leib sie eine
tiefe Wunde,
Umarmt zerfleischend ihn mit ihrer
Pratze.
Des Genius Schicksal les’ ich
hier im Spiegel,
das Höllenqual mit himmlischem
Genusse
In einem ihm beschert mit seinem Kusse.
Es drückt ihm auf die Stirn
der Gottheit Siegel,
Und während er geneußt in
Himmelshallen,
Zermartern ihn da drunten
seine Krallen.
O glaubt nur nicht, daß dies
den Dichter mache,
Daß Reim an Reim er weiß
geschickt zu binden,
Aus glatten Verschen ein
Gedicht zu winden,
Daß hier man weine und daß
dort man lache.
Dem wahren Künstler ist’s die
kleinste Sache,
Die größte bleibt das große
Weltempfinden;
Dazu muß wohl die Fertigkeit
sich finden,
Doch Fertigkeit oh’n Fühlen
ist nur Mache.
Des Genius Wert und Wesen
macht sie nie,
Ist nie der Urquell hehrsten
Gott-Erbauens,
In höchsten Sphären schwelgt
er nie durch sie.
Der eignen Brust gewalt’ge
Symphonie,
Die Wunder-Weise seines
Welten-Schauens:
Das ist das wahrhaft Große am
Genie
Was mir das Höchste stets am
Genius galt,
Dran immer noch der
Menschengeist genesen,
Ist seine Macht, im Augenblick
zu lesen,
Was vielen fremd, ob hundert
Jahr’ sie alt.
Sehn Tausende vor Bäumen nicht
den Wald,
Verstrickt im Wust von Thesen,
Antithesen,
Sieht er hindurch der Dinge
wahres Wesen,
Im Nu der Wahrheit nackte
Lichtgestalt.
Was oft Zehntausende in
tausend Jahren
Nicht sahn, weil sie’s in
Einfalt nimmer suchten,
Das kann ein Augenblick ihm
offenbaren.
In solchem Brennpunkt treffen
oft die Flammen
Des höchsten Lichtquells
wunderhehr zusammen,
Die noch Jahrhunderte nach ihm
befruchten
O Augen des Genies! Der Psyche
Sitze
Die sie zum Thron im Körper
sich erwählet!
O Pole, wo sich Geist und
Stoff vermählet,
Ihr in den Götterhimmel lichte
Ritze!
Säh’ von der Märtyrkrone Dorn
und Spitze
Des Genius Antlitz noch so
sehr zerquälet,
Wär’ nicht ein Zug, der seine
Art erzählet,
verrietzen doch ihn seiner
Augen Blitze.
Denn wie’s dem Lästerer, dem
Gottverneiner,
Aus des bestirnten Himmels
Weltenferne
„Es ist ein Gott!“
herniedertönt zum Spotte:
So, wär’ er häßlich selbst,
wie irgend einer,
Es riefen doch des Genius
Augensterne:
„Hier thront der Geist!“ und „Dieser
ist vom Gotte!“
Warum, so oft ich rasten möcht’
im Schaffen,
Scheint alles Leben mir so
ungenießlich?
Jedwede Lust so kalt und
unersprießlich,
das ganze Dasein zwecklos
schmerzlich Gaffen?
Warum dann fühl’ ich jeder
Wunde Klaffen
Und Qual und Pein und
Langeweil’ verdrießlich?
Warum dann leid’ ich also, daß
ich schließlich
Es vorzieh’, neu zur Tat mich
aufzuraffen?
mich dünkt, wir Weltverbess’rer,
Denker, Dichter
Sind nur das Zugvieh an der
Menschheit Pfluge,
Des Schicksalswillens blinde
Tatverrichter.
Das Tier, wie’s rasten möcht’,
bekommt die Knute,
Und wie der Genius innehält im
Fluge,
Wird ihm die eigne Ruh’ zur
Geißelrute.
Mein Innres klagt: O
Schicksal! Himmelsmächte!
Was soll mir all dies Ringen,
Kämpfen, Trachten?
Was mit mir selbst die grimmen
Geistesschlachten?
Was gen Pygmän die qualvollern
Gefechte?
Mein Körper stöhnt: Ihr
unrastschwangern Nächte,
In Wollust erst und dann in
Pein durchwachten!
Wozu dies Brennen, Lechzen,
Dürsten, schmachten,
das mir den Gott im Busen
macht zum knechte?
Mein Schicksal ruft: Erlebe!
Juble! Leide!
Kenn’ Höll’ und Himmel, Leben
sind sie beide!
Bis tiefst zum Grunde leer’
das Daseins Schale!
Mein Stern erglänzt: - zum Segen
deinem Werke,
Zum Wachstum mir, zu meines
Glanzes Stärke,
Daß ich nur glüh’, daß weit
mein Licht einst strahle!